Das Oktoberfest erzählt viele Geschichten, Manche sind neu, andere haben Tradition. So gibt es einige Menschen, die das Fest in München zu dem machten, was es heute ist. Einige dieser besonderen Charakteren trifft man jedes Jahr beim Altschaustellerstammtisch im Marstall Festzelt. Wir haben uns dieses Jahr mit Wolf Clauss unterhalten und viele neue Hintergründe erfahren.
Wolf Clauss ist ein „Kind“ des Oktoberfests. Sein Vater starb zu früh aufgrund von Kriegsleiden und so musste er mit 18 Jahren das Fahrgeschäft übernehmen. Wolf Clauss brach mit 18 Jahren die Schule ohne Abitur ab und bekam eine Sondergenehmigung zum Führen von Fahrzeugen.
Dieses Fahrgeschäft „Die Spinne“ hat ebenfalls eine besondere Geschichte. Sein Vater stellte es im Jahre 1939 fertig, musste aber aufgrund des Krieges viele Jahre warten, um damit auf den Jahrmarkt zu gehen. Erst im Jahre 1951 konnte er seine Entwicklung auf dem Oktoberfest aufstellen.
Technikbegeistert und forschend
Nach ein paar Jahren im Geschäft legte Wolf Clauss nebenbei eine Lehre als Fernseh-, Radio- und Funktechniker ab. Die Technik begeisterte ihn schon immer in allen Facetten. Er baute damals sogar einen eigenen Fernseher. In seiner Lehre war er viel in München unterwegs und so ist es nicht verwunderlich, dass es auch dort einen Nachlass seiner Arbeitsleistung gibt. Die legendäre Kneipe „Die Laterne“ der Schwabinger Gisela war einer der damals tontechnischen Aufträgen. Eine krumme Laterne inspirierte ihn zu etwas ganz Aussergewöhnlichem und so wurde sie das Markenzeichen für die „Schwabinger Gisela“.
Das letzte Fahrgeschäft auf der Wiesn führte er zusammen mit seiner Frau – den „Playball“. Zuvor sammelte er viel Erfahrung und Wiesngeschichte mit „Der Spinne“, Autoscooter, der „Bayernkurve“, und der Seesturmbahn. Gemeinsam mit seinem Schwager betrieb er noch weitere Fahrgeschäfte, u.a. das Ikarus. Jedes Fahrgeschäft hatte ein Motto, dass gleich auf den ersten Blick zu erkennen war.
Er ist auch der Erfinder der innovativen Beleuchtungen. Seine Idee und technische Umsetzung waren oft ein Trend, dem weitere Fahrgeschäfte folgten. Mit dem Playball entwickelte er taghelle Scheinwerfer mit Farbenwechsel, das erste Blaulicht leuchtete in seinem Fahrgeschäft. Tontechnisch entwickelte er mit einem Unternehmen aus Bayern die ersten Lautsprecher mit Tieftönen. Und auch die ersten Strotoskope hoben sein Angebot auf dem Oktoberfest für die Zuschauer hervor. Bei seinen technischen Entwicklungen achtete er immer, d.h. bereits vor mehr als 50 Jahren auf ökologische Gesichtspunkte und entwickelte seine technischen Innovationen im Hinblick auf energiesparende Technologien.
Schaustellerei und Familie
Die Schaustellerei ist ein besonderes Geschäft. Auch wenn man jedes Jahr an den gleichen Plätzen aufbaut, ist es jedesmal anders. Man muss sich sehr flexibel auf neue Anforderungen vor Ort einstellen. „Wichtig war für mich dabei immer meine Familie. Meine Frau unterstützte mich tatkräftig in den kaufmännischen und organisatorischen Dingen. Mussten doch neben den Kindern auch bis zu acht Angestellte versorgt werden. Sie machte die kaufmännischen Abwicklungen, saß in der Kasse, kochte Essen für alle Angestellten und sorgte für einen reibungslosen Ablauf des Betriebes. Ohne eine starke Frau kann man als Schausteller nicht überleben.“ Heute sind die beiden seit über 60 Jahren glücklich verheiratet.
Wolf Clauss verkaufte seinen Playball, als er in Pension ging.
Ein Stück seiner Geschichte lebt heute aktiv weiter. Sein Sohn ist heute auf dem Oktoberfest mit „Flip Fly“ vertreten, das sie gemeinsam bauten.
„Das ist in der heutigen Zeit ein innovatives Konzept, denn der Auf- und Abbau geht schneller und für den Betrieb benötigt man weniger Angestellte“.
Wolf Clauss ist einer der vielen Innovatoren, der jedes Jahr mit neuen Ideen für die Gäste auf dem Oktoberfest vertreten war. Den Zauber des Oktoberfests bzw. des Jahrmarktes verdanken wir heute einer engagierten Generation, die mit Herzblut versuchten, Ihre Ideen in die Realität umzusetzen. Das bedeutete letztendlich viel Arbeit und wenig Freizeit.
Wolf Clauss ist heute 82 Jahre alt und genießt seinen Ruhestand mit seiner Frau. Und natürlich lässt ihn die Neugierde rund um alle technischen Fragen nicht los. Egal, welchen Bereich Sie mit Wolf Clauss ansprechen, sie können sicher sein, dass sie eine tiefbegründete Antwort erhalten. Unser Interview hätte ich gerne tagelang weitergeführt.