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Die Bayerische Staatsoper München trauert um Aribert Reimann

von | 14 Mrz 2024 | Personen

Der große Komponist Aribert Reimann ist tot. Er starb, neun Tage nach Vollendung seines 88. Lebensjahres, am 13. März 2024 in Berlin.

Aribert Reimann war über viele Jahrzehnte eine der maßgeblichen Gestalten der zeitgenössischen Musik, ja des Musiklebens überhaupt. Als Komponist, als Pianist und Liedbegleiter und nicht zuletzt als Lehrer hat er Generationen von Hörer:innen wie von Interpret:innen beeinflusst und bereichert. Reimann hinterlässt ein umfangreiches Œuvre an Liedern, Kammermusik und symphonischen Werken. Im Zentrum seines Wirkens und Schaffens standen seit jeher die menschliche Stimme und die Bühne.

Die Uraufführung seiner Oper Lear an der Bayerischen Staatsoper 1978, geleitet von Jean-Pierre Ponnelle (Inszenierung) und Gerd Albrecht (Dirigat), gilt als einer der Meilensteine der musikalischen Moderne; Lear ist mit bislang weit über 30 Inszenierungen auch eine der meistgespielten jüngeren Opern überhaupt. Reimanns Beziehung zur Bayerischen Staatsoper war die vielleicht engste und folgenreichste, die dieses Opernhaus mit einem Komponisten des 20. Jahrhunderts je einging. Lear war ein langjähriges Vorhaben, angeregt und unermüdlich vorangetrieben durch den Bariton Dietrich Fischer-Dieskau, der auch die Titelpartie übernahm, und das vollendete Werk erwies sich als so etwas wie die Beweisführung, dass die Gattung der Oper nicht nur lebt, sondern unverändert ins Herz dringen kann, dass sie die dringende politische Aktualität literarischer Stoffe – wie hier des von Shakespeare vorgeprägten – nicht nur bewahren, sondern sogar schärfen kann. „Vielleicht hat die Musik unseres Jahrhunderts es erst möglich gemacht, die komplexe, tiefe Parabel von der Kreatur Lear in der Oper zu erzählen“, schrieb damals die Süddeutsche Zeitung.

Es blieb nicht bei diesem einen gemeinsamen Projekt. War schon zuvor, 1973, die Oper Melusine im Cuvilliés-Theater aufgeführt worden – ein kleinerformatiges Werk, das erstmals bei den Schwetzinger Festspielen gezeigt wurde –, erging wenige Jahre nach der Lear-Premiere ein neuer Kompositionsauftrag an Reimann, und 1986 wurden mit der Oper Troades (vom selben Leitungsteam einstudiert) die Münchner Opernfestspiele eröffnet. Auch dieses Werk wurde seither an vielen anderen Bühnen aufgeführt. 1988 kam Die Gespenstersonate ins Prinzregententheater – somit war Reimann mit seinen Opern an allen drei Hauptspielstätten der Bayerischen Staatsoper präsent. Bald darauf wurde die großformatige Kafka-Oper Das Schloss am Nationaltheater München gezeigt, die Premiere war 1995, schon zweieinhalb Jahre nach ihrer Berliner Uraufführung. Eine dritte Münchner Uraufführung folgte mit Bernarda Albas Haus nach Federico García Lorca im Jahr 2000, dirigiert von Zubin Mehta und inszeniert von Harry Kupfer.

Wie sehr Aribert Reimanns Schaffen das aktuelle Musiktheater geprägt hat, wird durch wenig so deutlich wie durch den seltenen Umstand, dass ein und dasselbe Opernhaus ein Musiktheaterwerk der Moderne in einer vollständig neuen Inszenierung ein zweites Mal auf die Bühne bringt. So geschah es in der Spielzeit 2020–21, in der – trotz pandemiebedingten Einschränkungen – Lear aufs Neue an der Bayerischen Staatsoper interpretiert wurde, nunmehr durch Christoph Marthaler (Inszenierung) und Jukka-Pekka Saraste (Dirigat) und mit Christian Gerhaher in der Titelpartie. Die jüngste Wiederaufnahmeserie stand im Februar 2023 auf dem Spielplan. Es war die erste, an der Reimann aus gesundheitlichen Gründen nicht mit der vollen Kraft seiner Musikalität und Menschlichkeit persönlich mitwirken konnte. Sein Geist aber war in jeder Probe und bei jeder Vorstellung spürbar.

Was die Bayerische Staatsoper Aribert Reimann verdankt, ist unermesslich. Wir sind dankbar für seine Werke, für seine Inspiration, für seine Hilfsbereitschaft und Güte. Unsere Trauer ist groß.

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