Kann Kunst die Welt verändern? #JRmuc #KunsthalleMuc – der Kulturspaziergang des Presseclubs München durch die aktuelle Ausstellung JR: Chronicles Retrospektive in der Kunsthalle München.
Die Kunstführerin, Frau Daniela Thiel brachte uns das Werk des Künstlers aus Frankreich, der nur unter seinem Pseudonym JR bekannt ist und dessen Markenzeichen Hut und Brille sind, mit vollem Herzblut und Begeisterung nahe. Im Namen des Internationalen Presseclubs München geht ein Dankeschön an die Münchner Stiftung für Bildung Kunst und Kultur (MSBKK) die uns diese Einblicke in das Schaffen von JR ermöglichte.
Unsere Antwort auf die eingangs erwähnte Frage war nach dieser Exkursion einstimmig: Ja, Kunst kann die Welt verändern. Jede(r) kann einen Puzzlestein für das große Ganze aktivieren. Der Künstler JR bringt dies mit seinen Werken und Installationen auf der ganzen Welt klar zum Ausdruck. Verständlich ist auch der Wunsch von Frau Daniela Thiel, dass gerne mehr Schulklassen und Jugendliche die aktuelle Ausstellung besuchen. Denn: JR zeigt durch seine wagemutigen Aktionen, das alles möglich ist.
Die Geschichten, die er mit seinen Werken erzählt, sollten unseren Blick auf die Welt verändern. Sein Anliegen ist es, Grenzen zu überwinden und Brücken zwischen den Menschen zu bauen. Anhand von Fotografien, Videos, Modellen und großflächigen Plakatierungen (Pastings) macht die multimediale Ausstellung die Projekte von JR nun in der Kunsthalle München erlebbar.
Woher kommt JR?
JR kommt aus einem Vorort von Paris und begann sehr jung mit provokativen Graffitis auf den Dächern von Paris. Dort, wo man sie nicht vermutet und da. wo sie den Kern der Botschaften treffen. Durch Zufall fand er in der Metro eine analoge, einfache Kamera. Das sollte der schicksalshafte Start seiner Fotografiekunst sein. Er begann zu fotografieren. Motive waren ganz normale Menschen aus seinem Viertel. Anfangs auf DIN A4 und später im Großformat plakatierte er in ganz Paris seine Botschaften der Menschen- immer umrahmt mit roten Graffitirahmen: Der Beginn seiner Ausstellungen im freien Raum. Für Menschen, die nicht ins Museum gehen. Für Menschen, die über die Bilder reden und sich Gedanken machen. Um Randgruppen eine Bühne zu geben und für Gespräche zwischen unterschiedlichen Klischees.
Welchen Weg nahm JR?
Entdeckt wurde er durch einen traurigen Vorfall. Während er eine Häuserfront plakatierte, kam die Polizei mit Blaulicht. Zwei Kinder versteckten sich aus Angst in einem Stromkasten, der vor seinem Werk stand. Durch die Berichterstattung der Presse über diesen Vorfall wurde seine Arbeit bekannt.
Für Expo 2 Rue (2001–04) plakatierte er Papierkopien seiner Bilder an verschiedenen Orten in und um Paris und verschaffte seiner Community von Graffitikünstlern und Jugendlichen damit Sichtbarkeit in der Stadt. In Portrait of a Generation (2004–06) rückte er zusammen mit seinem Freund, dem Filmemacher Ladj Ly, Jugendliche aus den Sozialwohnanlagen der Pariser Banlieues in den Mittelpunkt. Auf den Porträts verziehen sie ihre Gesichter zu skurrilen Fratzen, um auf die klischeehafte und vorurteilsbehaftete Darstellung junger Menschen aus sozialen Brennpunkten in den Medien aufmerksam zu machen. Frei nach dem Motto: „Schaut nur, wie ihr auf uns schaut“.
Als der Brennpunkt der Sozialwohnungen abgerissen wurde, plakatierte er mit Freunden in einer Nacht- und Nebelaktion die Innenwände eines Hauses mit den Gesichtern der Bewohner. Erst beim Abriss am nächsten Tag wurde die Kunstinstallation sichtbar.
Weltweite Projekte folgten
Ab Mitte der 2000er-Jahre erweiterte JR seinen Wirkungskreis mit Projekten in der ganzen Welt. Seine erste Reise führte ihn 2005 nach Israel und Palästina. Dort fotografierte er Menschen, die denselben Beruf ausübten. Face 2 Face zeigte ihre Porträts paarweise, je eine Person aus Palästina und Israel, ebenbürtig nebeneinander in beiden Ländern. Mit Plakatierungen auf der Grenzmauer sowie unter anderem in Bethlehem, Tel Aviv und Jerusalem war es die bis dato größte illegale Fotoausstellung, die zu heftigen Diskussionen auf beiden Seiten der Mauer führten. Das war das Ziel seiner Aktion. Sind die Menschen auf der anderen Seite wirklich so anders als wir?
Für das Projekt Women are Heroes (2008–14) ging JR anschließend nach Brasilien, Lybien, Sierra Leone, Kenia, Indien und Kambodscha, wo er mit seinen Pastings die Rolle von Frauen als Stützen der Gesellschaft würdigte. In Indien nutzte er das Punafest, dem farbenfrohen Spektakel, um durch seine Kunst die Augen der vergewaltigten Frauen auf die Täter zu richten. Eine geniale Technik, die es in der Ausstellung zu sehen gibt.
In mehreren Städten, darunter Shanghai, Havanna und Berlin, widmete sich JR in The Wrinkels of the City (2008–15) der älteren Generation, deren Falten – ebenso wie die Fassaden der Häuser, auf die er ihre Bildnisse plakatierte – von gelebter Geschichte zeugen, denn sie sind es, die uns den heutigen Standard ermöglichten.
Immer wieder geht es JR auch um das Überwinden von physischen Grenzen. Sei es 2017 mit Giants, Kikito, bei welchem die überdimensionale Fotografie eines Kleinkinds aus Mexiko neugierig über den Grenzzaun Richtung USA blickt, oder in einer seiner jüngsten Unternehmungen, Tehachapi (2019–20), bei der er gemeinsam mit den Insassen eines kalifornischen Hochsicherheitsgefängnisses ein Projekt umsetzte.
Den zentralen Raum der Ausstellung in der Kunsthalle München nehmen JRs Chronicles ein:
raumgreifende, aus hunderten Porträts zusammengesetzte Fotocollagen, die den Facettenreichtum der Menschen anzudeuten versuchen, die in all ihrer Unterschiedlichkeit die komplexe Gemeinschaft einer Community oder einer Stadt ausmachen. Sein erstes Werk entstand aus 570 Einzelbildern, die er von Hand ausschnitt und zu einem Gesamtwerk komponierte, sichtbar nur mit Licht.
JR: Inside Out – Initiativen von Privatpersonen und Institutionen
Im letzten Raum der Ausstellung wird mit Inside Out eines der größten partizipativen Kunstprojekte der Welt präsentiert.
Seit JR im Jahre 2011 damit startete, nahmen mehr als 400.000 Menschen in knapp 140 Ländern daran teil. Das Projekt unterstützt Initiativen von Privatpersonen und Institutionen dabei, ihren Anliegen Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Im September 2022 machte er im Rahmen der Ausstellung einer von JRs zum mobilen Fotostudio umgebauten Trucks an verschiedenen Orten in München Halt. Alle Münchner:innen waren dazu eingeladen, für das Projekt Kunst & Kultur für alle Gesicht zu bekennen. Ihre Porträts wurden im Truck aufgenommen, gedruckt und vor Ort direkt plakatiert.
Organisation der Ausstellung
Die Ausstellung in der Kunsthalle München wurde organisiert vom Brooklyn Museum, New York. Sie wurde kuratiert von Sharon Matt Atkins, Deputy Director for Art, und Drew Sawyer, Philip Leonian und Edith Rosenbaum Leonian Curator, Photography, Brooklyn Museum
weiterführende Informationen zur Ausstellung in der Kunsthalle München
Regulär: € 15 | Ermäßigungen: Senior:innen (60+): € 13 | Schüler:innen, Auszubildende, Studierende (< 30 Jahre) und Arbeitslose: € 7 | Kinder und Jugendliche (6–18 Jahre): € 2 | Kinder bis 6 Jahre: frei | angemeldete Schulklassen: € 2 p.P. | Familienkarte für 2 Erwachsene und ihre (Enkel-)Kinder (< 18 Jahre): € 28 | dienstags 50% Ermäßigung auf alle Eintrittspreise
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